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Ganz so siegesgewiss und selbstsicher, wie es Anton von Werner drei Jahrhunderte später gemalt hat, mag Martin Luther am 17. April vor 500 Jahren nicht vor dem Kaiser und dem versammelten Reichstag gestanden haben - aber trotzdem ist es gut, sich zu erinnern, dass am heutigen 17. April vor 500 Jahren die Trennung der beiden Konfessionen Gestalt annahm... 

 

Der Morgen hat gegraut und jener Man, der schon lang wach im Bett lag, quälte sich aus der Schlafstatt, in der er die Nacht über wach gelegen ist. Seit einem Tag war Martin Luther in Worms. Vor mehr als zwei Wochen ist er aufgebrochen und begleitet von einigen Freunden von der Elbe bis in die Stadt, wo der Reichstag sich getroffen hat. Schon seit November war der frisch gekrönte Kaiser in der Stadt. 7.000 Menschen lebten damals in Worms, doch wegen des vom jungen Kaiser angesetzten Reichstag waren sicher noch einmal 10.000 Menschen nach Worms gekommen: Die Einquartierung der Teilnehmer und ihres Gefolges waren einerseits eine hohe Belastung für die Stadt, andererseits aber auch ein einbringliches Geschäft. Schon einmal – 1495 – war Worms Gastgeberin eines Reichstages: 80 Fürsten, 130 Grafen sowie Botschafter ausländischer Könige und Herren nahmen dieses Mal teil. Am 21. Januar war die Tagung eröffnet worden und sie sollte nich bis Ende Mai andauern.

Schon Anfang März hat der Kaiser die Vorladung an Martin Luther aus, vermutlich Ende März wurde sie ihm in Wittenberg zugestellt, wo er als Mönch und Professor für Theologie lebte. Mit dem für ihn ausständigen Kurfürsten Friedrich III. war in Worms freies Geleit für Luther ausgehandelt worden. Friedrich III. war schon vor Beginn des Reichstages in Worms eingetroffen. Ende März hatte der Kaiser ohne jeglichen Prozess schon ein Sequestrationsmandat erlassen. Mit der Begründung, dass Papst Leo X. Luthers Lehren bereits verdammt habe. In dem Mandat wurde angeordnet, Luthers Schriften einzuziehen und zu vernichten und bei Strafe verboten, sie zu verbreiten. Für viele Freunde Luthers, war dies eine Vorverurteilung. Sie äußerten bedenken, ob das zugesagte „Freie Geleit“ wirklich Bestand haben könnte.

Luther entschied sich trotzdem, Anfang April nach Worms aufzubrechen. Die Stadt Wittenberg stellte ihm für die Reise eine überdachte Kutsche, den sie bei einem ortsansässigen Goldschmied geliehen hat. Großzügig gab die Universität noch ein wenig Zehrgeld mit auf den Weg, hatte Martin Luther doch dafür gesorgt, dass viele in Wittenberg studieren wollten. Über mehrere Stationen führte der Weg nach Worms. In manchen Orten predigte Martin Luther in den dortigen Kirchen gepredigt und viel Zustimmung erfahren: So wird erzählt, in Erfurt sei die Augustinerkirche völlig überfüllt gewesen. Die Empore drohte unter dem Gewicht der Menschen zusammen zu brechen. 

Ohne Frage hatte Martin Luther Angst, was ihm dort in Worms begegnen würde. Ihm ist gesagt worden, dass der Kaiser und die anderen mit ihm über seine Schriften diskutieren wollte. Vielleicht hat er sich auch überlegt, wie er mit Karl V. sprechen sollte, war doch bekannt, dass der deutsche Kaiser eines nicht konnte: nämlich deutsch. Außerdem war er als Professor in dem kleinen Wittenberg ja nicht gewohnt, mit solch hochrangigen Männern, Grafen, Fürsten, Könige, Bischöfe und dem Kaiser umzugehen. Die Regeln am Hof und die regeln, die beim Reichstag gelten, kannte er nicht – und sein Reisegepäck war auch eher klein: Mönchskutte und der Mantel, der ihm einmal im Jahr von der Universität gestellt wurden. Kleider machen Leute, das galt auch im Mittelalter – nur den nicht, der keine Kleider hatte.

Jetzt graute der Morgen an jenem 17. April. In Worms hat es sich schon herumgesprochen, dass der renitente und dem Papst widersprechende Mönch aus wittenberg eingetroffen sei. Schon am Tag vorher, als er in Worms angekommen ist, seien angeblich 2.000 Schaulustige gekommen, um Martin Luther zu sehen. Und auch jetzt lungerten Fans vor dem Johanniterhof herum, wo Martin Luther und seine Begleiter untergebracht waren. Das Zimmer dort musste sich Luther allerdings mit zwei anderen teilen. Die hohe Zustimmung der Menschen gab ihm vermutlich auch Kraft: Doch was wird der heutige Tag bringen?

Am Vormittag erhielt Martin Luther von Erbmarschall Ulrich von Pappenheim die Vorladung, er soll um 16 Uhr nachmittags sich im Bischofshof einfinden, wo der Kaiser logierte. Pappenheim und Reichsherold Sturm geleiteten ihn durch den Garten des Johanniterhofes und einige Gassen zu einem Hintereingang des Bischofshofes. Der direkte Weg war von Schaulustige gefüllt.

Im Bischofshof erwartete ihn Kaiser Karl V. und einige der Fürsten, die dem Reichstag angehörten. Auch Vertreter des Papstes waren in Worms vertreten: etwa der apostolische Protonotar Marino Ascanio Caracciolo, päpstlicher gesandter am Kaiserhof, auch schon beim Vorgänger von Karl V., dazu ein entfernter Verwandter des Papstes, Raffaello de’ Medici, und auch Hieronymus Aleander. Er war seit Juni 1520 außerordentlicher Gesandter des Papstes am kaiserlichen Hof, um sich des Falls Luther anzunehmen. Luthers Schriften waren im Saal auf einer Bank ausgelegt. Darunter auch: „Von der Freiheit eines Christenmenschen“, „An den christlichen Adel deutscher Nation“ und „Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche“. Anwesend war auch der Wittenberger Jurist Hieronymus Schurff, der in Worms für Friedrich III. arbeitete und hier als Anwalt für Martin Luther auftrat.

Der Kaiser sprach nicht selbst mit Luther, sondern durch einen „Orator“, Johann von Eck, ein Vertreter des Erzbischofs von Trier. Der Kaiser brauchte für das Gespräch – soweit es in deutscher Sprache ablief – einen Dolmetscher. 

Martin Luthers erwartete, dass es eine Disputation, sozusagen eine Talkshow, geben werde. Für Professoren an den Universitäten damals war dies die übliche Form der Auseinandersetzung. Der Kaiser wollte lediglich, dass Martin Luther – ohne den Austausch irgendwelcher Argumente – seine Thesen zurücknehmen sollte. Davon erfuhr Martin Luther erst unmittelbar vor Ort.

Johann von Eck stellte Martin Luther die Fragen: Ob er die ausgelegten Bücher als seine Schriften anerkenne, ob er sich dazu bekenne oder was er daraus gegebenenfalls widerrufen wolle? Hieronymus Schurff bestand zunächst darauf, dass die Schriften für das Protokoll einzeln aufgelistet wurden. Luther erkannte das, was auslag, als von ihm verfasst an. Er erläuterte, dass es in seinen Schriften um den Glauben, das Seelenheil und Gottes Wort gehe. Aus seiner Sicht sei es gefährlich, sich dazu unbedacht zu äußern, deshalb brauche er auf die Frage, was er widerrufe wolle, Bedenkzeit.

Der Kaiser und Fürsten berieten sich, wie sie damit umgehen sollten. Zum Schluss eröffnete ihm Johann von Eck mit einer eindringlichen Rede, er solle seine Irrtümer zu widerrufen. Dafür gewähre ihm Karl V. eine eintägige Bedenkfrist. Der Herold brachte Luther in sein Quartier zurück.

Das alles war am 17. April – vor 500 Jahren in Worms.